Festivalbericht: 13. Under the black sun 2010
Da ich durch Metal Impetus die Presseakkreditierung für das Festival bekommen konnte, ist der Bericht für dieses Magazin entstanden und dort ebenfalls erschienen.
Seit nunmehr über einem Jahrzehnt findet das Black-Metal-Untergrundfestival »Under the black sun« statt, zuletzt – in seiner 13. Ausgabe – am 2. und 3. Juli 2010. Wie schon bei den vorigen Malen war der Austragungsort der Reiterhof in Helenenau, einem Ortsteil von Bernau östlich von Berlin. Da ich das Festival bereits vor zwei Jahren auf diesem Gelände erlebt hatte, besaß ich eine Vorstellung davon, was mich erwarten würde, und die wurde auch nicht enttäuscht: weder von der Musik noch von der Atmosphäre der Veranstaltung oder vom Wetter.
Wenn man sich am ersten Tag des Festivals auf der schmalen Straße durch den brandenburgischen Wald dem Gelände nähert, sieht man bereits aus einiger Entfernung die Dächer einiger Dutzend Autos; aus der Nähe erkennt man dann, daß das auch schon alles ist, was sich auf dem kleinen staubigen Parkplatz vor dem Eingang versammelt hat. Um es vorwegzunehmen: Viel mehr Autos werden es am ganzen Wochenende nicht, alles in allem sind einige hundert Besucher vor Ort. Ein angenehm kleines Festival also, das bereits beim zweiten Besuch etwas Familiäres ausstrahlt.
Nicht am Auto zelten zu können mag für einige Festivalgänger sicher einen Minuspunkt bedeuten, doch wird der Vorzug dieses Umstands bei der Inspektion des Geländes schnell klar: Anstelle der sonst üblichen lärmenden Schlachtfelder aus Blech und Planen gibt es hier zwischen Teichen, Bungalows und vielen Bäumen einige kleine und eine größere Fläche zum Zelten; im Grunde herrscht Ferienlagerstimmung. Einzig ein paar Wohnwagen haben den Weg zwischen die Zelte gefunden und versorgen ihre Umgebung mit gerade noch erträglicher Spaßmusik aus dem Dunstkreis der mächtigen Kassierer. Nicht zu ertragen sind dagegen die Zeitgenossen, die leider auch auf diesem Festival eine Subkultur innerhalb der Subkultur bilden und einen Teil des Geländes mit Techno- und Popmusik belästigen.
Nachdem das Zelt aufgebaut ist, bleibt bis zum ersten Auftritt nicht mehr viel Zeit. Die Bühne ist etwas abseits des Zeltplatzes in einer kleinen Waldlichtung zu finden, was sowohl der Besucherzahl als auch der Atmosphäre des hier ausschließlich zu erwartenden Black Metal Rechnung trägt. Der Backstage-Bereich besteht aus einer grob gezimmerten Holzbude, weitere kleine Buden umstehen die Lichtung und bieten Raum für den Getränkeausschank und, zumindest am zweiten Tag, den Verkauf von Musik und T-Shirts. Ein bunter Cuba-Libre-Wagen vervollständigt kontrastreich das Bild.
Den Freitagabend eröffnen gegen 17:30 Uhr Nazarene Decomposing aus Bayern. Der kopfüber Gekreuzigte, auf den sich der Sänger bisweilen stützt, wirkt professionell, der Auftritt dagegen klingt noch ein wenig nach Proberaum – der Platz in der Spielfolge ist berechtigt. Dagegen können die Norweger von Posthum mit ihrer ursprünglichen Spielart des Black Metal erwartungsgemäß überzeugen. Die Lichtung füllt sich, und ich gewinne einen ersten Eindruck von der überdurchschnittlich internationalen Zusammensetzung des Publikums.
Als nächstes betreten Ravencult aus Griechenland die Bühne und haben mit ihrer von Rock und Thrash Metal beeinflußten Musik die Menge innerhalb kürzester Zeit im Griff, mit Begeisterung fliegen sowohl auf als auch vor der Bühne die Haare. Auf diesen gelungenen Auftritt folgt ein weiterer: Im letzten Tageslicht spielen die Hamburger Schwarzmetaller von Todtgelichter ein abwechslungsreiches Konzert, das zum ersten Mal an diesem Abend für Gedränge in den ersten Zuschauerreihen sorgt. Das hebt zwar die Stimmung und den Bierumsatz, macht aber das Fotografieren für den Rest des Tages umso mehr zur Herausforderung.
Im Gegensatz zu den reichlich vorhandenen Melodien bei Todtgelichter folgt nun die polnische Kriegsmaschine mit einem – für meinen Geschmack – recht gleichmäßigen und unverspielten Programm. Dafür wird es anschließend wieder atmosphärisch: Verdunkeln aus Aachen bestreiten den vorletzten Auftritt des Freitags.
Zum Abschluß des Tages stehen schließlich Angantyr vor einer gut gefüllten Lichtung und legen sich erwartungsgemäß mächtig ins Zeug. Übermäßig viele Klassiker spielen sie zwar nicht, stellen dafür aber zwei neue Stücke vor, und natürlich fehlt auch der Klang des Horns nicht. Die Dänen sind nicht die ersten an diesem Abend, die mit Technikproblemen zu kämpfen haben, doch auch den Ausfall einer Gitarre überspielen sie souverän. Für viele sicher die wichtigste Band des Festivals, haben mich Angantyr keineswegs enttäuscht.
Welche Eindrücke hat der erste Tag des Under the black sun 2010 sonst noch hinterlassen? Faire Preise an den drei Verpflegungsständen (darunter eine stilechte Gulaschkanone); ein Bierstand, der mit 2 Euro für einen drittel Liter sicher dankbar für die Hitze sein konnte, aufgrund derer das Dosenbier aus dem Auto keine ernsthafte Konkurrenz darstellte; ziemlich entspannte Sicherheitskräfte und schließlich die Frage, warum man die Sträucher vor der Bühne auf eine Handbreit hohe Stolperfallen zurückstutzen mußte, statt sie stehenzulassen oder ganz aus dem Weg zu räumen.
Der Sonnabend beginnt sehr früh: ab 7:30 Uhr ist im Zelt an Schlaf nicht mehr zu denken, da wäre es am Abend vorher ratsam gewesen, sich die Zeit zu nehmen und einen der freien Flecken im Schatten der Bäume zu suchen. Solche Flecken findet man auch jetzt noch, also wird das Zelt in den Schatten bewegt und dann ob der bereits drückenden Hitze die Dusche aufgesucht. Ja, ich weiß, Duschen ist kein Metal, aber in dem Duschcontainer am Rand des Zeltplatzes wird es mancheiner dennoch als Heldentat empfinden. In der Pension des Reiterhofs soll es gegen eine kleine Gebühr bessere Sanitäranlagen geben; manche Besucher verschaffen sich ihre Abkühlung auch einfach in einem der kleinen Teiche. Immerhin hat man beim Anstehen vor der Dusche Gelegenheit, mit einigen der von weiterher angereisten Gäste ins Gespräch zu kommen, darunter solchen aus Südfrankreich, den Niederlanden und der Schweiz.
Der Tag wird mit Essen, Schlafen, mehr oder weniger interessanten Gesprächen und ein paar Seiten Kafka verbracht – dankenswerterweise gehört das Under the black sun nicht zu den Veranstaltungen, bei denen man schon beim Mittagessen die ersten Auftritte zu verpassen droht. Ich bin noch mit meinem Essen beschäftigt und sehe den Bewohnern der Bungalows dabei zu, wie sie am Fernseher das WM-Spiel dieses Nachmittags verfolgen, als mich die Musik der ersten Band des Tages überrascht.
Wie sich herausstellt, handelt es sich dabei lediglich um eine ausgiebige Klangprobe, der Auftritt beginnt nach der Schminkpause wie geplant um 17:30 Uhr. Kozeljnik aus Serbien stehen auf der Bühne, aber abgesehen von den treuen und vermutlich mitgereisten Fans ist auf der Lichtung noch nicht viel los. Das finde ich schade, denn der Auftritt gefällt mir. Im Anschluß machen Irrlycht ihre Sache sehr überzeugend. Rasant und aggressiv sind die Heidelberger, bei »Wolfish hate« läßt der Sänger gar die Peitsche tanzen.
Zumindest innerlich entspannter gehen darauf die Schweden von Waning ans Werk, deren Frontmann sich zwischendurch schon mal die Zeit nimmt, an der Bude nebenan ein paar Becher Bier zu holen. Experimentellen Black Metal sagt man ihnen nach, und in der Tat sind die Gitarren melodiöser und die Stimme vielfältiger als bei manch anderer Black-Metal-Formation. Ein neues Album steht wohl auch an, jedenfalls spielen sie auffallend viele neue Stücke.
Der nächste Auftritt gehört Furia aus Polen, bei denen der Name Programm ist: brachial und mit Geknüppel kommen sie daher, die Besucher wissen es zu würdigen. Ich freue mich derweil auf meinen persönlichen Favoriten des Festivals, die Franzosen von Mortifera. Drüben am Bierausschank wirkten sie bisher gut gelaunt und aufgeschlossen, doch auf der Bühne wird es jetzt düster und depressiv. Melodisch und eindringlich wirkt ihre Musik auf die Zuhörer. Schade, daß man als Fotograf immer ein wenig abgelenkt ist; dennoch hat sich am Ende ihrer Spielzeit der Abend für mich bereits gelohnt.
Glorior Belli und Angst Skvadron stehen noch auf dem Spielplan. Glorior Belli, die ebenfalls aus Frankreich kommen, verstehen es, die dunkle Atmosphäre ihrer Landsleute aufrechtzuerhalten, und fügen noch etwas Mystisches hinzu – durch ihre getragenen, teils verhängnisvoll walzenden, teils schnellen Klänge und nicht zuletzt durch ihre Kapuzenmäntel, in die sie bis zum Schluß verhüllt bleiben. Reichlich Kontrast dazu bietet schließlich die norwegischen Angst Skvadron, die zunächst mit einer bekritzelten Gummipuppe und einer weintrinkenden und zigarrenrauchenden Sängerin, später dann durch entschieden avantgardistische Klänge auffallen. Ein bißchen zuviel Keyboard und ein bißchen zu experimentell für meinen Geschmack, aber immerhin ein Beweis dafür, daß der Frontmann ebenso vielseitig wie vielbeschäftigt ist – seine wohl bekannteste andere Band heißt Urgehal.
Das Festival ist damit offiziell beendet, übrig bleiben eine erholsame Nacht am neuen Zeltplatz, ein gemütliches Frühstück vor der Rückfahrt und die Aussicht auf einen Berg Fotos, die sortiert, und einen Bericht, der geschrieben werden will. Während ich wieder die schmale Straße durch den brandenburgischen Wald entlangfahre, freue ich mich aufs Under the black sun im nächsten Jahr.